Nachdem der Zweite Weltkrieg beendet war, begann sich der zivile Luftverkehr wieder neu zu entwickeln. Viele Fluggesellschaften – vor allem in den Vereinigten Staaten – erneuerten oder erweiterten ihre Flotten mit Maschinen aus den überzähligen Beständen an Militärmaschinen wie zum Beispiel die C-46, C-47 oder die C-54, auch die ersten Constellation gehörten, noch geringer Stückzahl zwar, schon bald zum Inventar und dominierten die Luftfahrtszene.
In Großbritannien war man schon 1943/44 der Meinung, den Nachkriegsluftverkehr mit britischen Produkten zu etablieren. Das Luftfahrtministerium definierte die Projekte dazu über Spezifikationen, in denen genau beschrieben war, für welchen Zweck die Flugzeuge verwendet werden sollten. Eines dieser Pflichtenhefte aus dem Jahre 1944 ging an die Vickers-Armstrong Ltd., mit der Vorgabe, aus dem „Wellington“-Bomber ein Kurzstrecken-Transportflugzeug zu entwickeln, mit dem man den Nachkriegs-Luftverkehr wieder aufnehmen würde.
Da zu dieser Zeit auch das Brabazon-Commitee mit der Planung und Entwicklung zukünftiger und moderner Nachkriegsflugzeuge beschäftigt war, betrachtete man dieses Projekt von vornherein als Übergangslösung.
Das zuerst noch als “Wellington Transport Aircraft“ genannte Projekt wurde in „Viking“ umbenannt und noch 1944 begann die Konstruktionsphase, die mit dem Erstflug des ersten von drei Prototypen (G-AGOK) am 22.06.1945 abgeschlossen wurde.
Die Viking war die erste Neukonstruktion nach dem Krieg und trotz der kurzen Produktionszeit von zwei Jahren ein recht erfolgreiches Flugzeug. Auch wenn die Maschine ursprünglich auf dem Wellington-Bomber basieren sollte, wurde nichts außer Teilen der Tragflächen (die später überarbeitet wurden), der Motoren und dem Fahrwerk von der Wellington übernommen. Der Rumpf war eine komplette Neukonstruktion, in dem anfangs 21, später bis zu 36 Passagiere Platz fanden – eine Druckkabine hatte die Viking nicht.
Zwar wurde G-AGOK am 23.04.1946 bei einer Bauchlandung während eines Testfluges durch einen doppelten Motorausfall zerstört, doch BOAC hatte die die erste von 19 bestellten Viking 1A schon einige Tage im Einsatz.
Da BOAC ausschließlich Langstreckendienste bediente, nahm im August 1946 die neu gegründete British European Airways ihren Betrieb auf und übernahm diese Vikings für ihre europäischen Routen. Aus der Viking 1A wurde durch Verstärkung der Tragflächen und des hinteren Rumpfs die Viking 1, die später entstandene etwa 70cm längere Viking 1B, die bis zu 36 Passagiere aufnehmen konnte, rundete die Produktlinie ab.
Die Produktion der Viking endete nach dem Bau der 163. Maschine im Jahre 1948, die militärische Variante „Valletta“ mit zweiteiliger Frachttür, stärkeren Motoren und einem verstärkten Kabinenboden wurde zwischen 1947 und 1952 insgesamt 262 mal gebaut.
Die „Übergangslösung“ des Jahres 1944 wurde später eines der wichtigsten Passagierflugzeuge, mit dem der Luftverkehr in Großbritannien nach dem Krieg wieder aufgenommen wurde. Während der achtjährigen Einsatzzeit bei British European Airways legten die Vikings insgesamt 65 Millionen Meilen zurück, beförderten dabei mehr als 2,4 Millionen Passagiere und brachten der noch jungen Fluggesellschaft damals über 35 Millionen £ ein.
Nach ihrem Aus bei BEA boten sich die freigewordenen Viking als günstiges Einstiegsmodell für die damals neu gegründeten oder sich noch im Aufbau befindenden Fluggesellschaften geradezu an.
Der wirtschaftliche Aufschwung in der damaligen Bundesrepublik wirkte sich auch auf das Reiseverhalten der Bundesbürger aus, die – wenn auch anfänglich in kleinen Mengen – sich für Flugreisen interessierten. Reisebüros, Busunternehmer und Kaufleute suchten in der prosperierenden Lufttouristik ihr Glück (manche fanden auch ihr Verderben) und fanden in den gerade freigewordenen Vikings das passende Vehikel für diese Zwecke: die Maschinen waren schnell verfügbar und entsprachen noch dem Standard der Zeit.
Fluggesellschaften wie die Hamburger „Kolumbus Luftreederei“ oder KHD des Düsseldorfer Busunternehmers Karl Herfurtner sind heute noch bekannte Namen aus dieser Zeit und begannen ihren kurzen Betrieb mit gebrauchten Viking, in Frankfurt entstand gerade die LTU und auch der Vorläufer der heutigen Condor stand in den Startlöchern.
In Großbritannien wurde die Viking Mitte der 1950er Jahre recht häufig von kleineren, privat geführten Fluggesellschaften (den „Indepents“) übernommen, andere Exemplare fanden eine neue Heimat auf dem europäischen Festland. Den Fokus möchte ich daher hier auf Exemplare legen, die damals in Frankfurt zu sehen waren.
Am 20.Oktober 1955 wurde in Frankfurt die damalige LTU Lufttransport-Union gegründet und erwarb am 28.Dezember 1955 drei Viking 1B als Grundstock für ihre zukünftige Aktivitäten.
D-ABEL stammte – wie viele andere Viking – ebenfalls aus Beständen der British European Airways, die sie bereits wenige Tage nach ihrem Erstflug am 30.05.1947 als G-AIVI „Victor“ in Dienst stellte. BEA stattete ihre Vikings 1951 mit einer neuen, jetzt „Admiral-Class“ bezeichneten, Innenausstattung aus und stellte die Maschine unter dem Namen „Viking“ wieder in Dienst. Vier Jahre später wurde sie in Heathrow außer Dienst gestellt und am 14.11.1955 an einen Flugzeughändler verkauft, der sie dann am 28.12.1955 an LTU veräußerte. Mitte Januar 1956 wurde sie nach Frankfurt geflogen und schon zwei Monate später nahm LTU den Flugbetrieb offiziell auf.
Der erste kommerzielle Flug der noch jungen Fluggesellschaft führte von Frankfurt nach Catania, das jetzt als D-ABEL zugelassene Flugzeug wurde zu dieser Zeit noch von einer britischen Crew gesteuert, da sich die deutschen Piloten in der Ausbildung befanden. D-ABEL wurde im Juli 1957 als D-BALI neu zugelassen und flog bis zum 14.Februar 1961 für LTU.
An diesem Tag kam sie beim Start in Düsseldorf durch schwerem Seitenwind von der Startbahn ab und stieß mit einem Gebäude zusammen. In der Maschine befanden sich drei Personen, die das Wrack unverletzt verlassen konnten – die fast vierzehn Jahre alte Maschine musste jedoch abgeschrieben werden und wurde wenige Monate später verschrottet.
Technische Daten Vickers Viscount 1B
Antrieb: 2x Bristol Hercules 634 je 1260kW Leistung
Spannweite: 27,70m
Länge: 19,86m
Höhe: 5,97m
Passagiere: bis zu 36
Gewicht (MTOW): 15240kg, leer 10430kg
Geschwindigkeit: 338km/h (Reise), 423km/h (max)
Reichweite: ca. 2740km
Flughöhe: 7600m
Die bei einem Werkstattaufenthalt abgelichtete D-ABIR (oben) gehörte ebenfalls zu den ersten Viking der LTU und stammte aus den freigewordenen Beständen der BEA, die sie zwischen 1947 und 1955 als G-AIVJ im Einsatz hatte. Durch die Neueinteilung in Gewichtsklassen 1957 wurde sie auf das neue Kennzeichen D-BONA zugelassen und flog damit bis zu ihrem Verkauf an die belgische Aviameer am 28.04.1958. Aviameer setzte sie als OO-EEN von ihrer Basis in Brüssel bis zu ihrer Außerdienststellung 1962 ein. Im gleichen Jahr erfolgte ihre Verschrottung im britischen Southend.
D-BABY (sn 150, Baujahr 1947) war eine von sechzehn Viking C2, die ursprünglich von der Royal Air Force geordert wurden. Im Unterschied zu den zivilen Modellen wurden die C2 für die Transportaufgaben Royal Air Force mit verstärktem Boden, einer größeren Frachttür und stärkeren Motoren ausgestattet. LTU übernahm diese Maschine im Januar 1957 setzte sie bis 1960 ein, als sie vom LTU-Mitbegründer Kurt Conle gekauft wurde.
Im gleichen Jahr steht sie in der damaligen LTU-Grundfarbe in Frankfurt aufgebockt und mit verbogenen Propellerblättern auf einem der hinteren Abstellflächen. Da die Maschine nicht weiter beschädigt ist, dürfte hier ein Versagen des linken Fahrwerks naheliegen. Offensichtlich wurde die Maschine repariert, denn Conle besaß sie bis zum Verkauf an die britische Air Ferry 1963, wo sie als G-AOCH bis zu ihrer Verschrottung in Manston 1969 noch aktiv war.
Unter den drei gebrauchten Viking 1B, die von LTU Ende 1955 in England erworben wurden, war auch D-ADAM (sn 217). Die damals acht Jahre alte Maschine flog zuvor bei British European Airways als G-AIVD. Mit Beginn des Sommerflugplans 1956 nahm auch sie ihren Betrieb auf, der aber bereits im folgenden Jahr schon wieder endete, als BALAIR die Maschine zuerst etwa acht Wochen lang mietete und sie im Juli 1957 schließlich kaufte. BALAIR betrieb die Maschine als HB-AAR bis Anfang 1963, danach ging sie wieder nach England zurück und wurde zum Frachter umgebaut und an Air Ferry Ltd. verkauft.
Mit ihrem alten Kennzeichen G-AIVD flog sie dort bis 1965, als sie stillgelegt und im darauf folgenden Jahr verschrottet wurde.
Lufthansa gehörte zu den Firmen, die Ende 1955 zusammen mit der Deutschen Bundesbahn und den beiden Reedereien Norddeutscher Lloyd Bremen und HAPAG die Fluggesellschaft „Deutscher Flugdienst“ (DFD) gründeten. Im Januar 1956 kamen die ersten drei gebrauchten Viking nach Deutschland und bereits zu Beginn des Sommerflugplans 1956 konnte der Flugbetrieb ab Frankfurt aufgenommen werden.
Zwei Viking des Deutschen Flugdienst wurden von Lufthansa für Frachtflüge angemietet, eine davon war D-ABOM (sn 332).Im Juli 1957 wurde die Maschine auf das Kennzeichen D-BORA neu registriert und zusätzlich „Super Cargo“-Titel angebracht. Mit der Übernahme des Deutschen Flugdienst kamen diese beiden Viking zur LH-Flotte und wurden noch bis ins Jahr 1964 eingesetzt.
D-AFUS (sn 250) gehörte zu den ersten Vickers Viking 1B, die an Flugdienst ausgeliefert wurden. Die damals acht Jahre alte Maschine flog zuvor als G-AJBY für British European Airways, die sie Ende 1955 über einen Flugzeughändler an den neu gegründeten Deutschen Flugdienst DFD verkaufte. Ab Mitte 1957 wurden Flugzeugkennzeichen anhand der Gewichtsklasse neu zugeordnet und die bisherige D-AFUS bekam jetzt das neue Kennzeichen D-BELA. Flugdienst betrieb diese Maschine bis zu ihrem Absturz am 17.10.1958.
Das Ende von D-BELA: am 17.10.1958 fing auf einem Frachtflug von London nach Düsseldorf der rechte Motor Feuer und zwang die Crew zu einer Außenlandung auf einem Acker in Belgien. Bei der Bruchlandung brach die Maschine auseinander, wobei sich das Cockpit von der Maschine trennte. Die dreiköpfige Besatzung konnte sich so glücklicherweise retten und den Unfall relativ unverletzt überleben.
Airwork Services (gegründet 1928) nahm in den ersten Nachkriegsjahren den kommerziellen Flugbetrieb auf, nachdem man zuvor Pilotenausbildung durchgeführt und Militärflugzeuge gewartet hatte. Neben der Teilnahme an der Luftbrücke 1948/49 bot man auch die ersten Charterflüge an und ab 1952 in Zusammenarbeit mit Hunting Air Transport die ersten Fernflüge von London nach Nairobi. Dazu bediente man sich der Vickers Viking, mit denen man nach sechs Zwischenlandungen und drei Tagen Nairobi erreichte.
Die 1956 aufgenommene Viking G-AKTU dürfte wohl eine der elf Exemplare sein, mit denen die langen – aber sehr günstigen – Reisen in die Ferne durchgeführt worden sind. Diese Viking (sn 211) wurde von Air Lingus mit dem Namen „St. Mel“ im Sommer 1947 als EI-ADI in Dienst gestellt, doch schon sechs Monate später an Airwork Ltd. verkauft. Airworks London Ltd. setzte die Maschine bis 1960 ein, danach flog sie noch einige Monate für die nur 1960 aktive Air Condor und Air Safaris bis November 1961. Im Jahre 1962 wurde sie in Hurn verschrottet.
Aufnahme aus Frankfurt 1959
G-AGRP Overseas Aviation (C.I.) Vickers 639 Viking 1A (sn 108). Die Maschine wurde ursprünglich im Jahre 1946 als Modell 498 für BOAC / BEA hergestellt und ausgeliefert. Um 1951/52 herum erfolgte ein Umbau zum Modell 639 für Hunting Air Transport. Overseas Airlines übernahm die Maschine am 18.02.1958 und flog sie bis zur Betriebseinstellung im Juli 1961.
Aufgenommen in Frankfurt 1960
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es in Großbritannien neben den Staatsgesellschaften BOAC und BEA noch die von staatlicher Regulation unabhängigen privaten Flug-Unternehmen, die mit gebrauchten Maschinen Passagiere und Fracht beförderten. Airlines wie Orion Airways, Hunting-Clan Air Transport, Overseas Airlines, Airworks oder Eagle Aviation setzten unter anderem auch die Vickers Viking auf ihren Routen ein, die auch hin und wieder nach Frankfurt führten, wie die Aufnahmen aus aus dieser Zeit belegen.
Als 1957 die britische Regierung entschied, den Militärflugplatz RAF Biggin Hill stillzulegen, mietete der ehemalige Jagdflieger Jock Maitland im folgenden Jahr den Platz, um ihn zukünftig zivil zu nutzen. Dazu gründete er 1959 Maitland Air Charters und bot Rund- und Taxiflüge an – die Miete allerdings ließ sich damit nur schlecht zahlen.
Mit dem Einstieg und finanzieller Unterstützung des Bauunternehmers W.E. Drewery Anfang 1960 änderte sich nicht nur der Name der Gesellschaft in Maitland Drewery, sondern auch das Geschäftsfeld. Statt den wenig ergiebigen Taxi- und Rundflügen wurden jetzt Charter- und Frachtflüge mit Vickers Viking und Viscount von Gatwick aus auf den europäischen Kontinent durchgeführt.
Maitland Drewery blieb bis etwa 1961 im Geschäft, danach wurde die Gesellschaft aufgelöst und die Maschinen an British United verkauft. Maitland selbst änderte daraufhin wieder sein Geschäftsfeld und etablierte erfolgreich die Biggin Hill Air Fair, die seit 1963 (nur mit einer Unterbrechung von 2010 bis 2014) bis heute – wenn auch in kleinerer Ausgabe – stattfindet.
An einem verregneten Oktobertag im Jahre 1960 befand sich die damals dreizehn Jahre alte Vickers Viking 1B G-AHPR (sn 164) der Maitland Drewery auf einem Frachtflug in Frankfurt.
G-AIVK Martins Air Charter Vickers 610 Viking 1B (sn 224) Frankfurt 1959
Diese Vickers 610 Viking 1A (sn 224), gehörte ebenfalls Overseas Aviation (C.I.) war aber 1959/60 an Martins Air Charter vermietet. Die Maschine wurde 1947 an BEA ausgeliefert, die sie gegen Mitte der 1950er Jahre an British International Airlines verkaufte. Im Jahre 1958 wechselte sie erneut den Besitzer und wurde von Overseas Aviation gekauft. Overseas Airlines nahm sie nach Ablauf des Mietverhältnisses im Sommer 1960 wieder zurück und setzte sie bis zur Betriebseinstellung im Juli 1961 ein.
Aufgenommen in Frankfurt 1959.